Nach drei Wochen meistens außerhalb von Berlin oder Deutschland (z.B. Chorworkshop für Alte Musik in Evora/Portugal) bin ich wieder zurück in der Hauptstadt und der „normalen Arbeit“. Und so kommt jetzt auch (endlich) ein neuer Blog:
Früh wird es jetzt schon dunkel in Berlin (fast eine halbe Stunde früher als im Westen der Republik). Wir kommen aus der U-Bahn auf den Pariser Platz, auf dem normalerweise immer einige Touristen herumschlendern und Fotos machen, häufig ist es aber auch erstaunlich leer. Vorgestern Abend aber stehen wir schon nach wenigen Schritten am Rande einer Menschenmenge, die den ganzen Platz bis zum Brandenburger Tor ausfüllt.
Kein Konzert, keine Politische Großveranstaltung, keine Demo, sondern das „Festival of lights“ hat auch uns hierher geführt: Bedeutende Gebäude werden in ein anderes Licht getaucht, bekommen so regelrecht Leben eingehaucht oder verändern ihren Charakter.
Gigantische Videoprojektoren sorgen dafür, dass sich die helle obere Fassade der Amerikanischen Botschaft auf der Seite zum Holokaust-Mahnmal in eine Projektionsfläche verwandelt, die den Traum Martin Luther Kings riesengroß widerspiegelt.
Dieser christliche Kämpfer für Versöhnung unter Menschen war vor 50 in Jahren in Berlin, um die Trennung der Stadt zu erleben und anzuprangern. Übrigens hat er dabei am 13.09.1964 auch Station in unserem Hotel Albrechtshof gemacht und dort führende Kirchenvertreter aus der DDR getroffen. Seine Botschaft kurz vorher in der mit 2000 Besuchern überfüllten Marienkirche am Alexanderplatz: „Hier sind auf beiden Seiten der Mauer Gottes Kinder, und keine durch Menschenhand gemachte Grenze kann diese Tatsache auslöschen.“ Interessant, diese Persönlichkeit nun in Großformat an der Wand des Gebäudes zu sehen, von dem aus die Bundeskanzlerin ausgehorcht wurde. Das Botschaftsgebäude in einem anderen Licht…
Weiter am Potsdamer Platz: Die hochaufragenden asymmetrischen Hochhäuser, die mich immer ein wenig an London erinnern, werden zu blumig-bunten Kulissen, die sich wie in einer modernen Theateraufführung überschneiden und zugleich Durchblicke auf die Hinterbühne zulassen.
Wir haben uns den Luxus geleistet und sind mit dem schnellsten Aufzug Europas auf den 90 m hohen Panoramapunkt hochgesaust (in der Spitze des mittleren Hochhauses). Berlin aus anderer Perspektive, in anderem Licht.
Und selbst hohle Kapuzenfiguren, die an die Ringreiter aus Herr der Ringe erinnern, werden durch die bunt-grafische Anstrahlung fast mit Leben erfüllt, so wie umgekehrt die davorstehenden Menschen zu unnatürlichen Modellen werden.
„festival of lights“: eines von unübersehbar vielen Events in Berlin, die den Weg in die Stadt lohnend machen.
Aber natürlich regt mich so etwas immer auch zu weiterführenden Gedanken an: „In einem anderen Licht“…
Alles, was unser Leben ausmacht, nehmen wir immer in einem bestimmten Licht wahr. Und dieses Licht kann – wie bei der Illumination des Brandenburger Tores – Strukturen stärker hervorheben – oder auch die Illusion einer überhaupt nicht vorhandenen Theaterbühne geben. Aber ich sehe sie doch, ist sie dann nicht doch vorhanden?
Was ist wirklich? „Was ist Wahrheit?“ (war ja schon die ratlose Frage, die Pilatus Jesus stellte).
Ich spreche mit zwei Mitarbeitenden, zwischen denen es zu erheblichen Schwierigkeiten gekommen ist (ja, das gibt’s bei der Berliner Stadtmission auch – natürlich!). Jeder stellt mir dar, was schief gelaufen ist – im Licht der eigenen Wahrnehmung. Das unterscheidet sich erheblich, und ich wünschte mir, ich wäre dabei gewesen, als der Konflikt sich entwickelte. Aber hätte ich dann die „objektiven Tatsachen gesehen“? Nein natürlich nicht.
Ich habe mich im vorigen Jahr ein wenig mit der Philosophie des sog. „Radikalen Konstruktivismus“ beschäftigt. Und ich muss sagen, nach erster Irritation kann ich dem eine Menge abgewinnen, und es hilft mir, vieles in einem ganz anderen Licht zu sehen. Zum Beispiel wird so auch der vermeintliche Gegensatz von Glauben und Wissenschaft erkenntnistheoretisch mühelos entkräftet. Vereinfacht dargestellt sagt der Konstruktivismus: Jede Deutung, ja, jede Wahrnehmung, die wir Menschen machen, ist eine Konstruktion. Weil wir ja nie und an keiner Stelle die vollständige Wirklichkeit in allen ihren Dimensionen erfassen können, und weil wir das, was wir wahrnehmen, immer vereinfachen, reduzieren müssen (alles andere sprengt unsere Kapazitäten), deshalb ist jedes Verständnis, das wir entwickeln, immer konstruiert aus Elementen der Wirklichkeit, und zwar den Elementen, die wir aus dem einen oder anderen Grund auswählen. Konstruktion heißt also nicht haltloses Konstrukt. Es gehört dazu, immer wieder zu fragen, wie viel Anhalt an der Realität eine Konstruktion hat. Aber durch dieses Verständnis vom menschlichen Verstehen rücken viele Positionen, die vermeintlich grundverschieden sind, auf die gleiche Ebene. So sind auch die Naturwissenschaften wie der Glaube nicht mehr und nicht weniger als Verständnisversuche für die Wirklichkeit, die sich im Tiefsten immer unserem Verstehen entzieht. Gerade so wird es möglich, ganz neu miteinander ins Gespräch zu kommen. Gerade weil der Glaubende die Welt in einem anderen Licht sieht als z.B. der Physiker.
Was für eine Bereicherung, wenn beide die jeweils andere Sichtweise kennen und verstehen lernen! Genauso wie es wesentlich zur Konfliktlösung zwischen den beiden Mitarbeitenden beitragen wird, wenn sie sich jeweils auf die Perspektive des anderen einlassen können.
Denn das Brandenburger Tor als Theaterbühne hat durchaus etwas.
Zum Schluss nochmal etwas in eigener Sache bzw. in der Sache der Stadtmission. Es fehlen noch etwa 400,- € für die Musikproduktion meines neuen Titelsongs für die Stadtmission, der mit auf die CD- zum flashmop für Ende November soll. Deshalb können wir die Aufnahme jetzt nicht länger hinauszögern. Ich würde aber gerne den Produzenten pünktlich bezahlen.
Deshalb wäre es sehr hilfreich, wenn noch einige dabei helfen könnten. Wie schon mal gesagt, bekommen die Spender nicht nur eine Bescheinigung für die Steuern, sondern auch die Aufnahme des Liedes „Suchet das Beste, das Beste der Stadt“ als mp3-datei zugeschickt.
Hier nochmal das Spendenkonto der Berliner Stadtmission (bitte mit dem Stichwort „Neuer Titelsong“:
SPENDENKONTO
Kto.: 31 555 00
BLZ: 100 205 00
BIC: BFSWDE33BER
IBAN:
DE63100205000003155500
Bank für Sozialwirtschaft