„From a distance the world looks blue and green (Aus der Entfernung scheint die Welt blau und grün)
And the snow capped mountains white (und der Schnee bedeckt weiß die Berge )
From a distance the ocean meets the stream (aus der Entfernung vereinigen sich Ozean und Strom)
And the eagle takes to flight (und der Adler erhebt sich in die Luft)
From a distance there is harmony (aus der Entfernung ist da Harmonie)
And it echoes through the land (und ihr Echo erfüllt das Land)
Its the voice of hope, Its the voice of peace (es ist die Stimme der Hoffnung, die Stimme des Friedens)
Its the voice of every man (die Stimme, jedes Menschen)„.
An diesen Song von Julie Gold und Nanci Griffith wurde ich erinnert, als ich vor Kurzem das Titelfoto zu diesem Blog aufgenommen habe. (Wo das war, verrate ich am Ende.)
Die Erde vom Mond aus – unfassbar schön, wie Astronauten immer wieder berichten. Eine Kostbarkeit im Weltall. Unvorstellbar, was Mensch da unten anrichten.
„Aus der Entfernung scheint es, als gäbe es keine Kriege, als müsste keiner Hunger leiden und jeder bekäme, was er braucht“, heißt es im Lied weiter. Und dann im Refrain:
„God is watching us from a distance (Gott sieht uns aus der Entfernung zu).“
Manchmal kann man den Eindruck bekommen, als würde Gott in der Tat all das Schreckliche, das in unserer Welt geschieht, aus der Entfernung gar nicht mitbekommen. Jedenfalls wenn die Vorstellung von „Gott“ geprägt ist durch philosophische Kategorien und abstrakte Begriffe wie Allmacht, Allwissenheit, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit. Das zusammen logisch mit der Weltlage in Einklag bringen zu wollen, führt uns in unlösbare Widersprüche und Aporien.
Aber ist das überhaupt ein sinnvoller Denkansatz?
Für mich persönlich und für die Arbeit in der Berliner Stadtmission ist ein ganz anderer Ansatz entscheidend: Nämlich die Welt und unser Leben konsequent aus der Perspektive Jesu zu sehen. Und wenn ich „Jesus“ sage, dann meine ich: „Gott auf Augenhöhe“. Der in einer grenzenlosen Selbstbeschränkung die abstrakte Distanz verlassen hat und auf Tuchfühlung zu unserer Realität gegangen ist. Der längst nicht alle Fragen beantwortet hat, aber die relevanten – nicht theoretisch, sondern praktisch.
Und deshalb gehört hinter „From a Distance“ ein fettes Fragezeichen. Und so verstehen wir auch unsere vielfältigen Aufgaben im Auftrag, der Mission Jesu.
Heute haben wir im Rahmen der Einführungstage für neue Mitarbeitende darüber nachgedacht, was diese Mission für uns bedeutet: Es geht um die Menschenfreundlichkeit Gottes, die nur in konkreten Beziehungen Gestalt gewinnt und real wird; ganz lebensnah, Bedürfnis- und Ressourcen-orientiert. In den Fußspuren Jesu kann man nicht auf Distanz gehen.
Und wahrscheinlich trägt genau das zum Besonderen der Berliner Stadtmission bei, dass wir nicht auf Distanz gehen, sondern uns einlassen auf die unterschiedlichsten Lebenswelten und Herausforderungen.
Am 1. Mai war ich ein Jahr hier, und habe es noch keinen Tag bereut – obwohl die Fülle der Arbeit mir inzwischen auch hier gelegentlich über den Kopf wächst. (Das – zusammen mit mehreren Dienstreisen in den vergangenen Wochen – hat auch zur langen Pause seit meinem vorigen Blog geführt).
Aber nun – ein paar Beispiele aus dieser Arbeit der letzten Wochen:
1. Tag der Offenen Tür in der Bahnhofsmission am Zoo:
Ich zitiere aus dem Rückblick von Dieter Puhl, der diesen faszinierenden Arbeitszweig leitet, und zeige Euch ein paar meiner Fotos dazu:
„Um die 1500 obdachlose Gäste besuchten uns gestern zum Tag der Bahnhofsmission am Zoo und zusätzlich ca. 1500 interessierte Besucher, Freunde, Netzwerker. Gleichzeitig wurde die Ausstellung UNSICHTBAR in der Haupthalle eröffnet, bleibt 14 Tage hier.
Das war ein tolles Durcheinander, enorme Vielfalt, das waren wirklich Begegnungen auf Augenhöhe, hier trafen sich Menschen, die neugierig aufeinander waren.
Noch nie war unser Musikprogramm so reichhaltig und unterschiedlich (Blaskapelle der Polizei, Folkmusic mit Edwina und Deko, Rock, Proft, IG Blech, Chinesische Gemeinde u.v.a.), noch nie das Essen in enormer Breite so lecker (Freiwillige Feuerwehr Buchholz, Curry 36, Dönerstand, Lieferando mit Pizza, Deutsche Bank mit Salaten, unser Grill – bestückt durch die Berliner Tafel, Rotary Berlin International mit Kuchenstand, Freimaurer mit leckeren Stullen, Lazarus Orden mit Schmalzstullen, ODEG mit Pfannkuchen, Interconti mit Suppe, viele Freunde mit selbstgebackenem Kuchen, Spreequell mit hübschem Getränkeangebot und, und, und…).
80 Ehrenamtliche packten an und zu, gaben sich ein, waren freundliche Ansprechpartner.
Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf leistete tolle Unterstützung, am Grill und vielen anderen Stellen.
Unsere hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen hatten alles gut vorbereitet und hielten alles beieinander.
Kolleginnen und Kollegen der Berliner Stadtmission (Kinderschminken, Med. Zentrum) standen zur Seite, Bundes- und Landespolizei, DB Sicherheit, FH Potsdam, die Bundesgeschäftsstelle der Bahnhofsmissionen auch.
Freunde der Deutschen Bahn und der Stiftung Deutsche Bahn hielten viele Überraschungen bereit, die schönste, alle blieben sehr lange.
Christina Rau kommt wieder, viele andere auch.
Aus Interessierten wurden Freunde, der Bahnhofsmission Zoo, vornehmlich aber ihren Gästen, die hier Schutz, Hilfen und Zuspruch suchen.
Einige habe ich sicher vergessen – sorry! Bedanken möchten wir uns bei allen. Von Herzen!!!
Wir wissen aber auch, Jesus ist am Zoo ein verdammt guter Chef, der alles beieinander hält, gerade auch an solch einem Tag.“
Besser kann man das „nah ran, statt distanziert“ kaum erleben als hier, wo die allerunterschiedlichsten Gruppen und Milieus miteinander einen Tag gestalten und erleben.
2. Gemeindejubiläen: 40 Jahre Citystation in Wilmersdorf – 90 Jahre Gemeinde in Pankow
An einem Sonntag (Jubilate, 26.04.) haben wir nacheinander die bewegten und manchmal auch schwierigen Geschichten beider „Standorte“ in Festgottesdiensten gefeiert. Vormittags hatte ich nur ein kurzes Grußwort (für die Predigt war Direktor Joachim Lenz zuständig), nachmittags hatte ich in Pankow die Festpredigt zu halten. Aber interessant fand ich ein kleines Gespräch am Rande des Gottesdienstes in Wilmersdorf:
Neben mir saß eine ältere Dame, die ganz neu nach Berlin gezogen war, ich glaube aus dem Hannoverschen. Kurz nach meinem Grußwort, in dem ich auf das andere Jubiläum hingewiesen hatte, stieß sie mich an und flüsterte mir zu: „Pankow? Das war doch Ostberlin! – Gab´s da auch Gemeinden?“
Ja, die gab es: mutige, vielleicht auch ein wenig sture, jedenfalls unbeirrbare christliche Gemeinden. Und immer Kreativität, um in den Herausforderungen der jeweiligen Zeit zu bestehen.
3. Klausur des Konvents in Halle
Zum Konvent der Berliner Stadtmission gehören außer den beiden Vorstandsmitgliedern (Joachim Lenz und Martin Zwick) und uns drei Leitenden Mitarbeitenden (Jörg Friedl, Diakonie; Andreas Schlamm, Bildung, und ich) noch die Direktorin aller unsrer Hotels (Dana Schmiedl), der Personalchef (Uwe Kathmann) und der Chef der Liegenschaft- und Serviceabteilung (Sven Geisthardt). Nach Jahren von personellem Umbau ist also zuletzt mit dem Wechsel des theologischen Vorstandes bzw. Direktors das erneuerte Leitungsteam komplettiert. Und diese beiden Tage waren vor allem Fragen neuer Arbeitsformen und Prioritäten dienen und das Vertrauen im neuen Leitungsteam fördern (- erfolgreich – wie ich finde). Zwischendurch nutzten wir aber die Lokalität und besuchten die beeindruckenden, im 18. Jahrhundert aufgebauten Diakonieanstalten von August Hermann Francke: Waisenhaus, Bildungsanstalt, Missionsschule, Schriftenverlag usw.. In wenigen Jahren entstand unter der ausgesprochen kreativen wie strengen Leitung von Franke ein Werk mit Weltruhm – bis heute. Zur Zeit läuft der Antrag auf Anerkennung als Unesco Welt-Kultur-Erbe.
Verblüffend fand ich bei unserem Besuch vor allem das Museum der Bildungsanstalt mit Exponaten aus „der Mission“, d.h. aus verschiedensten Teilen der Welt. Sortiert zwischen den beiden Polen „Schöpfung“ und Kultur.
Verblüffend auch gewisse Methoden August Hermann Franckes, mit dem immer vorhandenen Geldmangel umzugehen:
Geldmangel haben wir heute bei der Berliner Stadtmission natürlich auch, besonders, weil wir uns immer wieder neuen Herausforderungen stellen und eben nicht distanziert unseren „Stiefel“ durchziehen. Die Methode von Francke wollen wir aber eigentlich nicht anwenden. Deshalb freuen wir uns über jede Spende, mit der unsere Arbeit unterstützt wird. Und ich freue mich, dass einige meiner Blog-Leser zu diesen Spendern gehören. Ein Kreis, der durchaus noch Zuwachs verträgt. Z.B. für unser neues „ShareHaus Refugio“ in Neukölln (Stadtkloster, Kiezcafé, Integration von Geflüchteten), mit dem wir wohl Anfang Juni endlich beginnen können. Oder für die interkulturelle Gottesdienstform „grenzenlos“, mit der wir in der „St. Lukas Kirche“ begonnen haben. (Beides konkrete Spendenzwecke, die man in Verbindung mit seiner Überweisung angeben kann:
SPENDENKONTO
IBAN:DE63 1002 0500 0003 1555 00
BIC: BFSWDE33BER
Kto.: 31 555 00
BLZ: 100 205 00
Bank für Sozialwirtschaft)
Wir versuchen jedenfalls nicht aus der Distanz, sondern aus der Nähe die „Stimme der Hoffnung und des Friedens“ zu stärken.
Übrigens: Das Foto mit einem Bett auf dem Mond habe ich in meinem Hotelzimmer in Fulda aufgenommen, wo wir vorige Woche wieder an der Jahrestagung des Bundesverbandes der Stadtmissionen teilgenommen haben (für mich nun das erste Event, das ich hier zum zweiten Mal erlebe).
Als ich abends ins Zimmer kam und das Licht anschaltete, hab ich nicht schlecht gestaunt, als mir statt einer Deckenleuchte unser heimatlicher Planet entgegenstrahlte.