Während in Deutschland die Parteien immer noch heftig mit der Wahl-Katerstimmung zu kämpfen haben, spitzt sich die Lage in Katalonien vor dem Unabhängigkeits-Referendum zu. D.h. In den vorigen beiden Tagen war relative Ruhe – abgesehen vom eindrucksvollen Töpfeschlagen aus unzähligen Fenstern jeden Abend um 22.00.
Heute aber lag plötzlich viel Energie in der Luft. Eigentlich hatten wir nur eine geführte Fahrradtour durch Barcelona gebucht.
Juliano, unser prima deutsch sprechender Guide hatte allerdings gleich zu Beginn angekündigt, auch über „das Problem zwischen Katalonien und Spanien“ berichten zu wollen. Aber kaum unterwegs, gerieten wir auch mitten hinein: Zunächst in eine Demo gegen die Unabhängigkeit (endlich mal wahrnehmbar). Auf dem Place de Sant Jaume, dort, wo vor drei Tagen noch die katalonische Folklore aufgeführt wurde, demonstrierten vielleicht zwei bis dreihundert Anhänger der Partei DiP vor dem Gebäude der Regionalregierung lautstark gegen die Abspaltung.
Unterwegs erklärt uns Juliano, dass die Katalanische Flagge eigentlich nur gelb rot gestreift sei (und in der Form die älteste der Welt). Das blaue Dreieck mit dem Stern aber sei von der Kubanischen Revolutionsfahne abgeschaut und als Symbol für die Unabhängigkeit verboten. Jedenfalls an öffentlichen Gebäuden.
Nach einem Abstecher in den Innenhof des frühesten Krankenhauses in Barcelona (heute u.a. ein Kulturzentrum), wo wir die „erlaubte Fahne“ sehen, nähern wir uns der Placa Universität. Und plötzlich ist der Bär los: Der Platz ist schon weitgehend gefüllt mit Tausenden junger Menschen, die die „verbotene“ Fahne schwenken oder sich darin eingehüllt haben. Von der Großbühne dröhnt Rockmusik. Und von allen Seiten strömen unablässig weitere Jugendliche hinzu.
Die Polizei wird später 10.000 Schüler und Studenten zählen. Wahrscheinlich sind es eher 15.000. Partystimmung. Unabhängigkeits -hype. Untermalt von ausgelassenem Hupkonzert in den umgebenden Straßen. (Dabei hat Barca gestern Abend doch gegen Sporting Lissabon in der Championsleague 0:1 verloren). Die ganze Woche schon machen Oberstufenschüler und Studenten blau „aus Protest gegen die Haltung Madrids“.
Juliano kann darüber nur den Kopf schütteln. Er sei ein unpolitischer Mensch. Und ihn interessiere das Referendum eigentlich nicht, so wie die meisten anderen. Ob er denn dagegen stimmen würde, frage ich ihn. Aber er zuckt nur mit den Schultern.
Problem dabei ist, dass der katalanische Ministerpräsident Charles Puigdemont das Ergebnis werten will, egal wie hoch oder niedrig die Wahlbeteiligung ist und seien es nur 20%. Auf der anderen Seite fällt der Regierung in Madrid auch nichts anderes ein, als alles zu verbieten. Man könnte ja auch mal miteinander reden…
Katalonien, das seit 500 Jahren immer wieder von Spanien unterdrückt und kleingehalten wurde, zuletzt unter der FrankoDiktatur bis 1975!
Die Bürgermeisterin von Barcelona hat heute die EU aufgerufen, in diesem schweren Konflikt zu vermitteln. Und jedem, der ein bisschen weiterdenkt, ist klar, dass ggf. eine Unabhhängigkeitserklärung nächsten Dienstag ein noch ganz anderes Desaster auslösen würde als der Brexit vor einem Jahr.
Am Nachmittag in einer Tappas-Bar lesen wir in einer Zeitung, dass die Unabhängigkeits-Aktivisten Freiwillige suchen, um Schulen als Wahllokale zu besetzen, bevor die Polizei sie sperren kann. Oder wenn das nicht gelingt, wenigstens demonstrative lange Schlangen vor jedem der 2600 geplanten Wahllokale zu bilden.
(Auch diesen Beitrag habe ich nur auf dem Handy erstellt und bitte erneut etwaige Fehler und technische Pannen zu entschuldigen.)