Zum Glück haben wir gegen Abend noch eine offene Tankstelle mit kleinem Shop gefunden. Sonst müssten wir heute hungrig ins Bett gehen. Denn der Generalstreik in Katalonien ist wirklich so generell, wie wir es uns nicht hätten vorstellen können. Wir sind zur Zeit auf dem tiefsten Lande, aber in keinem der Berg- und Wein-Dörfchen war auch nur irgendetwas geöffnet, kein Geschäftchen, kein Restaurant, keine Bar, kein Weingut, nicht mal die ehemalige Kartäuser-Abtei, von der aus vor knapp 1000 Jahren hier am Montsant mit dem Weinbau begonnen wurde.
Heute zählt „Priorat“ zu den besten Weinregionen der Welt (geringe Mengen, exzellente Qualität).
Aber wie gesagt: Heute alles geschlossen.
Gestern Abend um viertel vor acht – langsam legte sich stimmungsvolles Abendlicht über die Landschaft (siehe Titelbild) – schmetterte plötzlich sehr laute Musik aus den Lautsprechern am Kirchturm. Und nach einem weiteren Signal kam eine unüberhörbare Durchsage der Gemeindeverwaltung, die ankündigte, dass morgen in Katalonien ein Generalstreik angesetzt sei aus Protest gegen die Gewalt der Spanischen Polizei und zur Verteidigung der Demokratie, und deshalb alle Geschäfte geschlossen bleiben sollten usw.
Wir waren etwas geschockt über diese Direktive vom Kirchturm. Aber Heute stießen wir zufällig auf historischen Schautafeln in einem anderen Ort auf ein Foto mit dem traditionellen Beruf des Dorf-Ausrufers.
Jedenfalls hat die Landbevölkerung hier den Generalstreik sehr ernst genommen und sich dann aber gegen Abend wieder an zentraler Stelle versammelt. Und der katalanische Fernsehsender zeigte zur Nachrichtenzeit etwa 15 Minuten lang Bilder von Versammlungen und Demonstration aus den unterschiedlichsten Groß- und Kleinstädten – als Kundgebungen vor Rathäusern oder Flaggen schwenkenden Treckerkorsos.
Die Gewalt der Guardia Civil gegen Bürger des eigenen Landes (gestern wurde die Zahl von fast 900 Verletzten bekannt gegeben) hat die Katalanen im Protest viel mehr und tiefer zusammengeschweißt als die Unabhängigkeits-Kampagne es je vermocht hätte. Polizei-Gewalt statt politischer Diskurs sind innenpolitisch ein Desaster. Und Menschengruppen, die notorisch nicht ernstgenommen werden, lassen das nicht endlos mit sich machen. Ein Thema, über das wir in Deutschland nach den hohen Ergebnissen der AfD auch nochmal viel aufmerksamer nachdenken und reden müssen – und zwar differenziert und unideologisch!
Für 21 Uhr war eine Fernsehansprache von König Filipe VI angekündigt. Hoffentlich findet er Worte, die wieder Brücken bauen. Denn die aktuelle Entwicklung bringt nur Verlierer hervor.