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Große und kleine Auditorien, die Kunst zu fragen und neue Aufgaben

Es wird – nach einem halben Jahr Sendepause – höchste Zeit, Euch mal wieder ein wenig auf den Stand der Dinge zu bringen. Denn es hat sich viel getan. Der Titel verrät schon die drei Abschnitte:

1. Große und kleine Auditorien:

Im ersten Halbjahr hatte ich eine ganze Reihe von Vorträgen und Gastpredigten, die mich an verschiedene Orte führten. Es begann mit einer Predigt zur Eröffnung der Allianz-Gebets-Woche in Celle. Die große Baptisten-Kirche war wirklich gefüllt mit über 200 aufmerksamen Zuhörern, denen ich – wie die Rückmeldungen zeigten – mit meinen Gedanken zu Epheser 4 richtig was zu kauen gegeben habe: Ein Leib und ein Geist, eine Hoffnung in eurer Berufung, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller – zeigt uns die 7 Säulen der Einheit, die vor allem gewagt werden muss, bevor man sie feiern kann.

Eine ganz besondere Veranstaltung war der „upgrade“- Kongress des Gnadauer Verbandes im März in Willingen (Sauerland) mit gut 3000 Teilnehmenden. Neben Aufgaben als Anwalt des Publikums und zwei Workshops hatte ich da in einem Teilplenum mit über 1000 Zuhörern einen von drei Kurzvorträgen.

Auch hier ging es um die Einheit. Meine Aufgabe war es, die geistliche Grundlage dafür  aufzuzeigen, weshalb gerade die Einheit der Unterschiedlichen aus biblischer Perspektive geboten ist und die „Homophilie“ als Liebe zu nur Gleichgesinnten eine große Gefahr darstellt. Verdeutlicht habe ich das an drei Bildern. Den Vortrag (zusammen mit den beiden anderen von Torsten Diez, Hochschule Tabor und Tobis Faix, CVJM-Hochschule) könnt ihr euch hier anschauen: https://www.youtube.com/watch?v=9yziDe0VLxg&feature=youtu.be (ab Min 14:46)

Von der Berliner Stadtmission haben über 50 beruflich und ehrenamtlich Mitarbeitende mit großem Gewinn an diesem Kongress teilgenommen.

Mein kleinstes Auditorium war am 16. Juni in der historischen Kirche in Buckow (bei Brandenburg Havel). Meine Predigt „Qualifizierte Minderheit“ richtete sich an die ca. 20 Engagierten aus mehreren kleinen Landgemeinden, die meisten von ihnen verbunden mit dem Netzwerk „Marburger Kreis“ und zum Teil bewusst aus dem Westen dorthin gezogen, um dort in Brandenburg geistliches Leben nicht gänzlich abreißen zu lassen.

Vorher gab es noch drei Hauptvorträge auf der Freizeit der großen, lebendigen und ziemlich bekannten Auferstehungsgemeinde Mainz (in Dorfweil im Hochtaunus) zum Thema „Christsein in einer verrückt gewordenen Welt“. Und direkt vor dem Start in den Sommerurlaub ein Podium beim Kirchentag in Dortmund zu „Gottesdienst als Event – Gemeinde auf Zeit“. Dabei hat diese „Band“ (Foto) hier mitgewirkt (ich hab mir den Namen leider nicht gemerkt) mit einer spannenden Kombi: Worship-Songs mit klassischen Instrumenten Streicher, Flöte, Oboe, Klavier,Gesang. Hatte ich so noch nie gehört. Das klang sehr charmant.

Ich muss schon zugeben, dass es etwas Besonderes ist, vor einem großen Auditorium zu sprechen – und auch besonders intensiver Vorbereitung bedarf. Aber die ganz kleinen, persönlichen Formate wie in Buckow oder auch in manchen unserer Stadtmissionsgemeinden finde ich genauso kostbar.

2. Die Kunst zu fragen

Von November bis Juni habe ich bei der Berliner Coaching Akademie die Ausbildung zum „Systemischen Business Coach“ gemacht. Höchst intensive Monate, wo ich zum Glück für die entsprechenden Blockwochen bei der Stadtmission freigestellt war und auch sonst durch mein tolles Team sehr gute Entlastung hatte. Systemisch heißt vor allem zweierlei: 1. Lösungsorientiert, und 2. Der „Klient“ ist Experte für seine Lösung. Daraus ergibt sich eine hoch spannende Methodik, die vor allem darauf beruht, die richtigen Fragen zu stellen. Also Fragen, auf die der Gesprächspartner kaum selbst kommen würde. Bzw. auf eine Art intensiv nachzuhaken, wie man es sich selbst gegenüber einfach nicht kann („..das ist ne gute Frage…“) . Klassisches Beispiel, das ich inzwischen schon unzählige Male zitiert habe:

Klient: „Ich möchte mich nicht mehr so viel mit meiner Frau streiten.“ – Coach: „Was möchten Sie denn statt dessen?“

Ich habe diese Monate dreifach genossen:
Erstens: Ich liebe es zu lernen (nach wie vor).
Zweitens: In der 12köpfigen Studiengruppe hatten wir innerhalb kürzester Zeit ein solches Vertrauen zueinander, dass wir uns trauten, gerade die „Interventionen“ in der Kleingruppe zu üben, wo man vorher wusste: Das krieg ich jetzt wahrscheinlich nicht wirklich hin. Wenn kein Vertrauen da ist, fühlt man sich doch immer genötigt, keine Schwächen zu zeigen. Aber das war hier anders. Und in den vielen gegenseitigen Coachings in unterschiedlichen Dreiergruppen (Klient, Coach, Feed-Back-Geber bzw. Beobachter) haben wir zum Teil persönlichste Fragestellungen offenbart und fruchtbar bearbeitet. Ich finde, das war ein ganz besonderes Geschenk. Wir versuchen uns jetzt auch noch weiter einmal im Monat zu treffen.
Drittens: Das was ich in dieser Zeit gelernt habe, kann ich ausgesprochen gut gebrauchen. Und zwar sowohl in der Personalentwicklung mit meinen Mitarbeitenden als auch für die Gesamtentwicklung der Berliner Stadtmission und bei Beratungsaufgaben außerhalb.

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Und damit komme ich zum dritten Teil:

3. Neue Aufgaben

Stadtmissionsdirektor und Theologischer Vorstand Joachim Lenz hat beschlossen, seinen bis Dezember laufenden 5-Jahres-Vertrag nicht zu verlängern, sondern noch einmal zu anderen Ufern aufzubrechen. Dabei hat das Kuratorium ihm zum Abschied noch ein dreimonatiges Sabbatical gegönnt, sodass er ab Mitte September nicht mehr aktiv im Dienst ist, Außerdem hat sich mein geschätzter Kollege auf der zweiten Leitungsebene für Bildung, Andreas Schlamm, von der EKD abwerben lassen, um dort ab dieser Woche den 2. Zukunftskongress (nach 2014) zu organisieren. Der findet schon im September 2020 statt. Extrem wenig Zeit, um das alles auf die Beine zu stellen. So kam sein Abschied von der Stadtmission ziemlich überraschend. Nun ist im letzten viertel Jahr auch schon unsere langjährige Pressesprecherin in ihren wohlverdienten Ruhestand gegangen, und die Leiterin der Finanzabteilung hat in den Vorstand des Roten Kreuzes Berlin-Brandenburg gewechselt (nachdem sie bei uns länger dabeigeblieben war als in jeder ihrer Stellen vorher). Das alles zusammen löst verständlicherweise bei vielen Mitarbeitenden große Irritationen und Verunsicherung aus, und manche haben mich schon bang gefragt, ob ich denn wenigstens bliebe. Wobei die Situation bei genauem Hinsehen zwar nicht toll, aber auch nicht bedrohlich ist. Haben wir doch in den letzten Monaten andere hochqualifizierte neue Mitarbeitende gewinnen können.

Als ich vor drei Wochen aus dem Urlaub kam und mich auf relativ ruhige Arbeitswochen während der Sommerferien freute, wurde ich also von einigen Dingen überrascht. Jedenfalls auch davon, dass mich das Kuratorium (sozusagen der Aufsichtsrat der Stadtmission) gebeten hat, die wichtigsten Aufgaben des theologischen Vorstandes bis zur Wiederbesetzung zu übernehmen. Ich fühle mich durch das Vertrauen geehrt und habe für die kommissarische Vertretung zugesagt. Denn einerseits passt mein Aufgabenportfolio als Leitung des Dienstbereichs Mission viel besser zu meinem Gabenspektrum als die reine Vorstandsarbeit. Andererseits kann ich wohl jetzt gerade in dieser Situation sowohl zur Beruhigung der Gemüter beitragen als auch dabei helfen, dass dringende Entwicklungsschritte der Stadtmission jetzt nicht zur Hängepartie werden. Wie lange diese Zwischenzeit sein wird, kann man jetzt noch nicht sagen. Ich habe zwar Respekt vor den neuen Aufgaben, bin aber zugleich gespannt und zuversichtlich.

Zum Schluss will ich euch noch vier – wie ich finde – besonders schöne Fotos aus unserem Urlaub in Kroatien zeigen.

Bunter geht Herbst nicht!

Ihr werdet Euch vielleicht schon gewundert haben, dass auf dieser Frequenz so lange Funkstille war. Es lag schlicht daran, dass dieser Herbst für mich dermaßen bunt und gefüllt war, dass ich nicht dazu gekommen bin, mal wieder Blog zu schreiben. Ja, ich kriege es aus dem Kopf auch kaum noch zusammen, zu welchen Anlässen ich außerhalb von Berlin unterwegs war:

Ende September:
Vorstand und Mitgliederversammlung des Gnadauer Verbandes in Bensheim/Bergstraße.

Urlaub im Harz (das Titelfoto habe ich in Quedlinburg aufgenommen) und in Weimar, wo wir eingetaucht sind ins Herz klassischer deutscher Kultur – was für ein Reichtum, an dem wir auch „Neulingen“ in Deutschland Anteil geben können. Wie universal und völkerverständigend hat ein Goethe bereits gedacht.Blog 36-4 Blog 36-3

(Wie beeindruckend auch, vor den Original-Bildern und Skulpturen zu stehen, die ich schon aus Schulbüchern kenne)

12. Oktober:
Fahrt zur Verleihung des Deutschen Architekturpreises für die kölner Immanuel-Kirche nach Hannover ins Schloss Herrenhaus:

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Das hatte schon was: An der Spitze eines Auswahlverfahrens unter 160 vorgeschlagenen Projekten zu landen. Aber wirklich zu Tränen gerührt war ich, als Professor Sauerbruch nachher im kleinen Kreis zu Christiane Friedrich (Presbyteriumsvorsitzende in der Brückenschlag-Gemeinde in Köln) und mir sagte, dass er das Preisgeld in Höhe von 25.000 € je zur Hälfte an die Gemeinde in Stammheim/Flittard und für meine Arbeit bei der Stadtmission spenden wolle. Auch an dieser Stelle ein ganz herzlicher Dank dafür!

Ende Oktober sind wir zunächst ein Wochenende zum 93. Geburtstag meiner Mutter in den „Westen der Republik“ gereist.

Und kurz vor dem Monatswechsel war ich nochmal dienstlich in Kassel – Treffen des Gnadauer Vorstandes mit Vertretern der EKD – und Marburg -Treffen mit den Dozenten der Theologischen Hochschule Tabor, weil wir in Berlin in Kooperation mit Tabor einen neuen Bachelor Studiengang gründen wollen, in dem theologisch- und gemeinwesen-kompetente Gründer von „Neuen Evangelischen Orten“ (NEOs) ausgebildet werden. (Die Idee, solchen Projekten anstelle des englischen „fresh-X“ einen schönen und sinnvoll abkürzbaren Namen zu geben, stammt von meinem Kollegen Andreas Schlamm). Aber natürlich wird der Studiengang nicht nur zu Neugründungen sondern zur Transformation bestehender Arbeit befähigen – ganz im Sinne des Gnadauer Programms „Neues wagen“.

Vorige Woche waren wir dann noch mit der Erweiterten Konvent der Berliner Stadtmission (also auch alle Einrichtungs- und Projektleiter) zu einer dreitägigen Klausur in unserem Luther-Hotel in Wittenberg. Hier der Blick aus meinem (fliegenvergitterten) Hotelfenster auf die Stadtkirche und zwei Fotos aus dem Lutherhaus, einem anderen Herzstück der deutschen Kultur, dessen Besuch bei mir ähnliche Gefühle und Gedanken auslöste, wie Weimar.

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Dieser Spruch von Martin Luther markiert nun zugleich ein hochaktuelles Thema. Denn einerseits ist völlig klar, dass die Kirche es überaus dringend braucht, sich aus ihren Mauern und Scheuklappen nach draußen zu begeben mitten hinein ins Leben, in die Alltagskultur, und das heißt in die kreative Avantgard genauso wie in die „Raucherecken“, in die Plattenbauten wie in die Flüchtlingshallen. Also „Inkulturation“.

Aber das doch immer so, dass zugleich deutlich wird, inwiefern eine von Jesus her geprägte „Denke“ nochmal ganz andere Perspektiven einbringt. Also „Kulturkritik“.

In der Flüchtlingsarbeit z.B.: Der Staat und die politisch eher links geprägten Engagierten würden am liebsten Religion ganz ausklammern (auch die innerhalb der Kirche). PEGIDA und ähnlich gelagerte evangelisch-rechtskonservative nutzen jede Gelegenheit, den Islam vollkommen undifferenziert zu dämonisieren. Und leider gibt es auch bereits respektlose und manipulative Missionierungsversuche, die dem Geist Jesu widersprechen.

Aber „Wo Christus ist, geht er allezeit wider den Strom.“ Man könnte auch sagen: Setzt er sich zwischen alle Stühle. Und genau daran arbeiten wir auch als Berliner Stadtmission fleißig:

Denen, die in den Notunterkünften schon direkt und ungebeten arabische Bibeln verteilen wollen, erteilen wir eine Absage. Zugleich arbeiten wir daran, wie alle Neuankömmlinge in offener Weise kennenlernen „wie Deutschland“ tickt – und das bedeutet natürlich, wie stark das Land aus dem christlichen Glauben heraus geprägt ist und was christlicher Glaube heute bedeutet. 90 % derer, die zu uns kommen, sind religiöse Menschen. Wie verantwortungslos wäre es, dieses Thema zu tabuisieren. Denn erst, wenn wir miteinander darüber ins Gespräch kommen, statt auszublenden oder überzustülpen, kann es gelingen, dass Frieden untereinander wächst und die Flüchtlinge etwas lernen, dass sie zuhause nie haben lernen können: Dass Versöhnung, dass Frieden zwischen Unterschiedlichen möglich ist. Und – oft nicht zu Ende gedacht – suchen sie doch auch deshalb gerade bei uns Zuflucht. Aber wir müssen ihnen beibringen, wie das gelingen kann – sofern wir selbst dazu in der Lage sind. „Wo Christus ist“, sind wir dazu in der Lage. Denn „die Liebe treibt die Furcht aus“.

Zurück zur Berliner Stadtmission:

Vor vier Wochen haben wir – mal wieder in einer unvergleichlichen Hauruck-Aktion – die Trägerschaft für eine neue Flüchtlingsnotunterkunft übernommen: Diesmal im Norden von Spandau in leerstehenden Industriehallen und für eintausend bis eintausendfünfhundert Flüchtlinge.

Leider sind wir – abgesehn von der Schwierigkeit innerhalb weniger Wochen mindestens 60 geeignete Personen für die Arbeit einzustellen –  dort in der Zwickmühle, dass wir die notwendigen Einbauten nicht selbst vornehmen dürfen, sondern das Berliner Immobilienmanagement im Auftrag des LaGeSo (Landesamt) dafür sorgen muss. Man muss leider mal wieder sagen: Wo Berlin drauf steht, ist auch Berin drin :-(.

Dementsprechend sind die sanitären Anlagen auch nach vier Wochen noch unverändert… – ich will nicht zu viel sagen. Auch alles andere, was unseren Standards entspricht und zugesagt wurde, fehlt immer noch. Eine sehr schwierige Situation. Aber mal wieder mit unfassbar engagierten Mitarbeitenden und bereits Hunderten von Freiwilligen. Sonst ginge es gar nicht. Hier ein paar ganz nette Fotos:

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Rund ums Thema Frieden drehte sich auch das große und wunderbar multikulturelle Friedensfest (mit vielen Partnern aus der Straße) vor unserer St. Lukaskirche am 4.10.:

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Friedensfest in der Bernburgerstraße

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Vereinigte Chöre – einschließlich Gebärdenchor der Gehörlosengemeinde (im Foto rechts)

 

 

 

 

 

 

 

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Auf den Spuren von Krieg und Frieden waren wir auch am vorigen Sonntag bei unserer Wanderung durch die Döberitzer Heide, westlich von Spandau . Wahrscheinlich lösen die nächsten beiden Fotos bei euch ähnlich merkwürdige Gefühle aus, wie bei uns.

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Den Bericht über einen Herbst, wie er bunter nicht sein kann, möchte ich aber nun schließen mit ein paar einfach nur schönen Berlinfotos (die letzten beiden von unserm Treppenhaus  bzw. Balkon):

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Blog 36-5Blog 36-b5      Blog 36-2