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Natur und Kultur – ein bunter Herbst

Der Herbst steht unter anderem für bunte Wälder und – von Fotographen und Malern geliebt – klare Luft und intensive Farben. Von meinem kleinen Zuhause-Schreibtisch habe ich einen wunderbaren Blick über Lübars bis weit ins Mühlenbecker Land (Siehe Titelfoto). 13. Stock hat was! Jedenfalls, was die Aussicht angeht, ist es einfach toll, jeden Tag wieder neu. Allerdings nicht, wenn – wie heute abend – beide Aufzüge ausfallen. Obwohl: Das ist dann Kardiosport…

Klare Luft und intensive Farben und das bei bis vor kurzem immer noch sehr milden bis richtig warmen Temperaturen gab es für uns jede Menge. So zum Beispiel bei einer wunderschönen Oktober-Sonntags-Wanderung am Wannsee.

Oder im sogenannten „Friedhof der Selbstmörder“ im Grunewald. Bis ins 20. Jahrhundert war ja die Beerdigung von Menschen auf kirchlichen Friedhöfen verboten. Durch den Knick der Havel wurden aber hier in der Nähe viele Freitod-Leichen angespült. Die Grundwald-Förster fanden eine Lösung, indem sie einen eigenen Friedhof für diese Verstorbenen anlegten. Die erste dokumentierte Beerdigung dieser Art war im Jahr 1900. Bald sprach sich das herum, und Angehörige brachten selbst Suizidale hierher. Nach 1945 wurden zivile Opfer des 2. Weltkrieges hierhin umgebettet und wenig später entwickelte sich dieser inzwischen mit Mauer und Kapelle versehene idyllische Ord zu einem „normalen“ kommunalen Friedhof.

 

2018 aber beschloss der Bezirk, keine weitere Beerdigungen mehr zuzulassen. (Schade eigentlich, oder?)

 

Von der Natur zur Kultur:

Eine Entdeckung war für uns die „Nacht der offenen Ateliers“ in den „Weddinger Gerichtshöfen“, einem Gewerbegebäudekomplex vom Anfang des 20 Jahrhunderts an der Gerichtstraße – daher der Name. Das Kunstquartier ist mit gut 70 Ateliers inzwischen eines der größten in Deutschland. An diesem Abend war der Innenhof schön geschmückt, mit Infotisch und Fressbude. Und es gab ausgezeichnete Führungen durch ausgewählte Ateliers. Moderne Kunst mit hoher Qualität und sehr gut vermittelt. Mehr als ein Geheimtipp.

Ein ganz besonderes Erlebnis war im Rahmen des „Festival of Lights“ in der dritten Oktoberwoche die Projektion an die Fassade des neuen Eingangsgebäudes zur Museumsinsel (Architektur von David Chipperfield). Einfach phantastisch, was Computer-Kunst heute darstellen kann: Eine ständige Metamorphose von Bildern und Farben untermalt mit warmen Klängen. Hier ein paar Eindrücke:

 

Kunterbunt ist es auch im „Textilhafen“ der Berliner Stadtmission. Diese neue Einrichtung in der Storkowerstraße beherbergt eine große Halle zur Kleidersortierung.

Dabei geben wir keine Reste mehr an fremde Textilverwerter weiter, weil sich deren Konzepte nicht mit unseren Werten deckt, wie sich im vorigen Jahr herausstellte. Statt dessen gibt es hier – außer einem normalen Second Hand Shop – Raum für kreative, lokale Textilwirtschaft; zum Beilspiel mit dem großen Webstuhl oder dem Aktionskoffer „Wir sticken das Grundgesetz“.

Wir möchten in der Berliner Stadtmission zunehmend auch Denkanstöße geben und Handlungsalternativen aufzeigen. Und das nicht nur in der Kältehilfe, die heute Nacht wieder ihre Arbeit aufnimmt.

Zuletzt zwei besondere Aktionen der Berliner Stadtmission, die ich nicht beschreibe, weil es dazu zum einen ein schönes kleines Video unseres Artrejo-Filmteams gibt, zum anderen einen höchst anschaulichen Beitrag auf unserer Homepage.

Am 28. September haben wir auf den Treppen des Berliner Doms ein Gospelprojekt durchgeführt unter dem Thema „Suche Frieden“:

Und dann vor wenigen Wochen der „Ball der Gemeinschaft“, der erste Ball für Obdachlose und andere Menschen in der City Station. Lest den Beitrag von Anna-Sophie Gerd:

https://www.berliner-stadtmission.de/aktuelles/ball-der-gemeinschaft/994466c705d10af36c4bbd739567d196

portrait zweier Tanzenden

Und damit wünsche ich euch einen angenehmen Start in die dunkle Jahreszeit.

 

Bunter geht Herbst nicht!

Ihr werdet Euch vielleicht schon gewundert haben, dass auf dieser Frequenz so lange Funkstille war. Es lag schlicht daran, dass dieser Herbst für mich dermaßen bunt und gefüllt war, dass ich nicht dazu gekommen bin, mal wieder Blog zu schreiben. Ja, ich kriege es aus dem Kopf auch kaum noch zusammen, zu welchen Anlässen ich außerhalb von Berlin unterwegs war:

Ende September:
Vorstand und Mitgliederversammlung des Gnadauer Verbandes in Bensheim/Bergstraße.

Urlaub im Harz (das Titelfoto habe ich in Quedlinburg aufgenommen) und in Weimar, wo wir eingetaucht sind ins Herz klassischer deutscher Kultur – was für ein Reichtum, an dem wir auch „Neulingen“ in Deutschland Anteil geben können. Wie universal und völkerverständigend hat ein Goethe bereits gedacht.Blog 36-4 Blog 36-3

(Wie beeindruckend auch, vor den Original-Bildern und Skulpturen zu stehen, die ich schon aus Schulbüchern kenne)

12. Oktober:
Fahrt zur Verleihung des Deutschen Architekturpreises für die kölner Immanuel-Kirche nach Hannover ins Schloss Herrenhaus:

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Das hatte schon was: An der Spitze eines Auswahlverfahrens unter 160 vorgeschlagenen Projekten zu landen. Aber wirklich zu Tränen gerührt war ich, als Professor Sauerbruch nachher im kleinen Kreis zu Christiane Friedrich (Presbyteriumsvorsitzende in der Brückenschlag-Gemeinde in Köln) und mir sagte, dass er das Preisgeld in Höhe von 25.000 € je zur Hälfte an die Gemeinde in Stammheim/Flittard und für meine Arbeit bei der Stadtmission spenden wolle. Auch an dieser Stelle ein ganz herzlicher Dank dafür!

Ende Oktober sind wir zunächst ein Wochenende zum 93. Geburtstag meiner Mutter in den „Westen der Republik“ gereist.

Und kurz vor dem Monatswechsel war ich nochmal dienstlich in Kassel – Treffen des Gnadauer Vorstandes mit Vertretern der EKD – und Marburg -Treffen mit den Dozenten der Theologischen Hochschule Tabor, weil wir in Berlin in Kooperation mit Tabor einen neuen Bachelor Studiengang gründen wollen, in dem theologisch- und gemeinwesen-kompetente Gründer von „Neuen Evangelischen Orten“ (NEOs) ausgebildet werden. (Die Idee, solchen Projekten anstelle des englischen „fresh-X“ einen schönen und sinnvoll abkürzbaren Namen zu geben, stammt von meinem Kollegen Andreas Schlamm). Aber natürlich wird der Studiengang nicht nur zu Neugründungen sondern zur Transformation bestehender Arbeit befähigen – ganz im Sinne des Gnadauer Programms „Neues wagen“.

Vorige Woche waren wir dann noch mit der Erweiterten Konvent der Berliner Stadtmission (also auch alle Einrichtungs- und Projektleiter) zu einer dreitägigen Klausur in unserem Luther-Hotel in Wittenberg. Hier der Blick aus meinem (fliegenvergitterten) Hotelfenster auf die Stadtkirche und zwei Fotos aus dem Lutherhaus, einem anderen Herzstück der deutschen Kultur, dessen Besuch bei mir ähnliche Gefühle und Gedanken auslöste, wie Weimar.

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Dieser Spruch von Martin Luther markiert nun zugleich ein hochaktuelles Thema. Denn einerseits ist völlig klar, dass die Kirche es überaus dringend braucht, sich aus ihren Mauern und Scheuklappen nach draußen zu begeben mitten hinein ins Leben, in die Alltagskultur, und das heißt in die kreative Avantgard genauso wie in die „Raucherecken“, in die Plattenbauten wie in die Flüchtlingshallen. Also „Inkulturation“.

Aber das doch immer so, dass zugleich deutlich wird, inwiefern eine von Jesus her geprägte „Denke“ nochmal ganz andere Perspektiven einbringt. Also „Kulturkritik“.

In der Flüchtlingsarbeit z.B.: Der Staat und die politisch eher links geprägten Engagierten würden am liebsten Religion ganz ausklammern (auch die innerhalb der Kirche). PEGIDA und ähnlich gelagerte evangelisch-rechtskonservative nutzen jede Gelegenheit, den Islam vollkommen undifferenziert zu dämonisieren. Und leider gibt es auch bereits respektlose und manipulative Missionierungsversuche, die dem Geist Jesu widersprechen.

Aber „Wo Christus ist, geht er allezeit wider den Strom.“ Man könnte auch sagen: Setzt er sich zwischen alle Stühle. Und genau daran arbeiten wir auch als Berliner Stadtmission fleißig:

Denen, die in den Notunterkünften schon direkt und ungebeten arabische Bibeln verteilen wollen, erteilen wir eine Absage. Zugleich arbeiten wir daran, wie alle Neuankömmlinge in offener Weise kennenlernen „wie Deutschland“ tickt – und das bedeutet natürlich, wie stark das Land aus dem christlichen Glauben heraus geprägt ist und was christlicher Glaube heute bedeutet. 90 % derer, die zu uns kommen, sind religiöse Menschen. Wie verantwortungslos wäre es, dieses Thema zu tabuisieren. Denn erst, wenn wir miteinander darüber ins Gespräch kommen, statt auszublenden oder überzustülpen, kann es gelingen, dass Frieden untereinander wächst und die Flüchtlinge etwas lernen, dass sie zuhause nie haben lernen können: Dass Versöhnung, dass Frieden zwischen Unterschiedlichen möglich ist. Und – oft nicht zu Ende gedacht – suchen sie doch auch deshalb gerade bei uns Zuflucht. Aber wir müssen ihnen beibringen, wie das gelingen kann – sofern wir selbst dazu in der Lage sind. „Wo Christus ist“, sind wir dazu in der Lage. Denn „die Liebe treibt die Furcht aus“.

Zurück zur Berliner Stadtmission:

Vor vier Wochen haben wir – mal wieder in einer unvergleichlichen Hauruck-Aktion – die Trägerschaft für eine neue Flüchtlingsnotunterkunft übernommen: Diesmal im Norden von Spandau in leerstehenden Industriehallen und für eintausend bis eintausendfünfhundert Flüchtlinge.

Leider sind wir – abgesehn von der Schwierigkeit innerhalb weniger Wochen mindestens 60 geeignete Personen für die Arbeit einzustellen –  dort in der Zwickmühle, dass wir die notwendigen Einbauten nicht selbst vornehmen dürfen, sondern das Berliner Immobilienmanagement im Auftrag des LaGeSo (Landesamt) dafür sorgen muss. Man muss leider mal wieder sagen: Wo Berlin drauf steht, ist auch Berin drin :-(.

Dementsprechend sind die sanitären Anlagen auch nach vier Wochen noch unverändert… – ich will nicht zu viel sagen. Auch alles andere, was unseren Standards entspricht und zugesagt wurde, fehlt immer noch. Eine sehr schwierige Situation. Aber mal wieder mit unfassbar engagierten Mitarbeitenden und bereits Hunderten von Freiwilligen. Sonst ginge es gar nicht. Hier ein paar ganz nette Fotos:

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Rund ums Thema Frieden drehte sich auch das große und wunderbar multikulturelle Friedensfest (mit vielen Partnern aus der Straße) vor unserer St. Lukaskirche am 4.10.:

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Friedensfest in der Bernburgerstraße

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Vereinigte Chöre – einschließlich Gebärdenchor der Gehörlosengemeinde (im Foto rechts)

 

 

 

 

 

 

 

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Auf den Spuren von Krieg und Frieden waren wir auch am vorigen Sonntag bei unserer Wanderung durch die Döberitzer Heide, westlich von Spandau . Wahrscheinlich lösen die nächsten beiden Fotos bei euch ähnlich merkwürdige Gefühle aus, wie bei uns.

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Den Bericht über einen Herbst, wie er bunter nicht sein kann, möchte ich aber nun schließen mit ein paar einfach nur schönen Berlinfotos (die letzten beiden von unserm Treppenhaus  bzw. Balkon):

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Blog 36-5Blog 36-b5      Blog 36-2