Berlin ist nicht nur die Bundeshauptstadt, sondern auch die Hundehauptstadt, jedenfalls gefühlt. Statistiken habe ich dazu nicht gelesen. Aber ein paar Bemerkungen wollte ich schon immer mal dazu machen. Jetzt gibts noch einen aktuellen Anlass. Aber dazu später.
Ursprünglich wollte ich einen Blog zu diesem Thema nennen „Ein Boxer namens Urmel“, weil ich das irgendwie originell fand. Urmel hab ich in der S-Bahn kennengelernt. Dass er so heißt, habe ich von der jungen Besitzerin erfahren, mit der ich mich prima unterhalten habe. Denn gelegentlich redet man miteinander in Berlins S-Bahnen. Abe das ist schon wieder ein neues Thema.
Hunde jeder Größe und Machart begegnen einem jedenfalls (fast) überall, eben auch reichlich in der S-Bahn, wo sie geduldig (oder gelangweilt) warten,…
oder höchst aufmerksam schauen, wann Herrchen oder Frauchen auszusteigen gedenken, um ja den Anschlus nicht zu verpassen…
oder höchst würdevoll dreinblicken, obwohl oder gerade wenn man (bzw. hund) nicht reinrassig ist.
Als Hundebesitzer ist man gehalten, seinen Hund ab einer gewissen Größe in Bus und Bahn mit einem Maulkorb zu versehen, was wir anfänglich auch sehr ernst genommen haben. In Bussen bleibt einem auch nicht viel anderes übrig. Ansonsten fragt keiner danach, und entsprechend hält sich auch keiner dran. Genauso wie beim pflichtgemäßen Beseitigen von HInterlassenschaften, die nicht nur – wie hier auf dem Foto – am Wegesrand liegen, sondern auch mitten auf dem Bürgersteig oder auf dem Rasen oder direkt vor der Haustür .
Vielleicht schauen ja auch deshalb soviele Berliner statt in anderer Leute Gesichter auf den Boden, um den allgegenwärtigen Tretminen ausweichen zu können. Gleichzeitig ist auch in Berlin ein Hund – ob in der Bahn oder beim Spaziergang – immer wieder ein hervorragender Gesprächsanküpfer und schon als solcher gesellschaftlich wertvoll.
Bis heute gehörten wir auch zur Spezies der Hundehalter. Aber leider mussten wir heute unseren guten, (fast 13 Jahre) alten Gino einschläfern lassen. Aufgrund eines gravierenden Leberleidens hatte er seit Wochen fast nichts mehr gefressen und war am Ende so schwach, dass er nicht mehr alleine aufstehen konnte und sich auch sonst nur noch herumquälte.
Aber ihn einschläfern zu lassen ist mir so viel schwerer gefallen, als ich es vor einiger Zeit vermutet hätte (z.B. in der Phase voriges Jahr, wo er mit altersseniler Bettflucht unseren Schlaf ruinierte, weil er die ganze Nacht klickklick klickklick herumlief oder chchchs chchchs chchchs auf dem Boden scharrte). Nun hab ich also doch erhebliche Mühe damit, ihn auf die letzte Reise zu schicken und Abschied zu nehmen. Natürlich ist uns dieses „Familienmitglied“ über die Jahre sehr ans Herz gewachsen: Ein begeisterter Bergwanderer wie wir.
In Köln der „Gemeindehund“. Und besonders bei Kindern, Rafaels Mehrschweinchen und dessen Schabernack unendlich geduldig.
Den Hund einschläfern zu lassen fällt mir aber auch aus einem anderen Grund schwer, wie mir bewusst geworden ist, nämlich aus Respekt vor dem Leben. Auch wenn es „nur“ ein Tier ist. Aber sein Lebenswille flackerte immer nochmal kurz auf. Dürfen wir unsere Entscheidung der Leidverkürzung darüber setzen?
Ich bin ein vehementer Gegner von aktiver Sterbehilfe bei Menschen. Weil ich als Gemeindepfarrer immer wieder erlebt habe, dass Leidvermeidung alleine ein ganz schlechter Ratgeber ist, dass häufig Linderung der Schmerzen und menschliche Nähe das eigentlich Gebotene wäre – und Sterbehilfe eine höchst problematische „Abkürzung“ ist. Wie oft gab es nach längerer Leidenszeit kurz vor dem Tod nochmal eine unerwartete, intensive Gemeinschaft zwischen Sterbenden und Angehörigen, womit keiner mehr gerechnet hätte.
Allerdings hinkt der Vergleich. Denn ein Hund ist eben kein Mensch. Und die Ebenen zu verwischen, ist auch nicht gesund. Also wir dürfen, wir müssen an dieser Stelle eine „vernünftige Entscheidung“ treffen.
Wieder denke ich, dass unsere Welt völlig aus dem Lot geraten ist. Und allerorten ein gesundes Maß verloren gegangen ist.
Wie würde man sich einen Hauch dieses Respekts vor dem Leben wünschen etwa bei den Massen-Tierhaltern, den Regenwald-Abholzern und noch soviel mehr bei den Ungläubige-Enthauptern. Aber auch umgekehrt ist Balance verloren gegangen. Der Deutsche Tierschutzbund hat mehr als 800.000 Mitglieder, während der Deutsche Kinderschutzbund mit seinen 50.000 Mitgliedern gerade mal nur ein sechzehntel Unterstützer motivieren kann!
Man schwankt zwischen Empörung und Ignoranz. Den gesunden Menschenverstand, die Besonnenheit, das Maß, aufmerksame Gelassenheit sind selten zu finden.
Manchmal haben einem Hunde da vielleicht etwas voraus. Oder?