Als ich neulich an einem Winter-Sonntag früh zum Gottesdienst durch die Stadt fuhr – mit dem Auto und das heißt oberirdisch (nicht mit der U-Bahn und auch nicht S-Bahn, wo man vor allem Bahngelände zu sehen bekommt) – als ich so durch Mitte, Friedrichshain und Lichtenberg fuhr, da sprang mich ein Gefühl an, dass ich früher manchmal auch schon in Köln hatte, ein gedanklicher Schwindel wie beim Betrachten des Sternenhimmels in seiner unendlichen Weite und Tiefe: In allen diesen riesigen Wohnblocks gibt es jeweils Hunderte von Wohnungen. Und in jeder dieser Wohnung leben Menschen – als Familie, gepatchworkt, mit Partner, viele auch allein (aus sehr unterschiedlichen Gründen). Und jeder einzelne Mensch, Mann, Frau, jung, alt, jugendlich oder midlifig, Greis, Säugling, – jeder einzelne Mensch, arm, reich, mittel, bildungsnah, bildungsfern, – jeder einzelne Mensch ist der Mittelpunkt seiner Lebenswelt, seines Universums. Wir können gar nicht anders, das macht ja gerade das Bewusstsein des Menschen aus: als „Ich“ zu sein, zu denken, zu fühlen, zu handeln. Dreikommasechs Millionen individuelle Lebensmittelpunkte allein in Berlin.
Jeder einzelne Mensch empfindet anders, hat andere Vorlieben und Abneigungen, Alltags- und Freizeitbeschäftigungen, Stärken und Schwächen, Hoffnungen und Angstpunkte, Lieblingsmusik, Lieblingsbücher, Lieblingsspeisen, Lieblingsfarbe, Lieblingsgeschäfte und Lieblingsbeschäftigungen…
Und so habe ich an dem Morgen beschlossen: Ich fotographiere einfach mal die Lebensräume, denen ich an diesem Sonntag begegne. Berliner Lebenswelten. Und zeige euch jetzt einiges davon. Da ist nichts Spektakuläres bei. – Aber lasst die Bilder mal auf euch wirken, mit meiner gerade beschriebenen „Brille“ in Kopf.
(Hier wohnen wir übrigens im 13. Stock, tolle Aussicht!)
Und was mich genauso schwindeln lässt wie ein Blick in den Weltraum ist nun, dass Gott diese Aber-Milliarden Lebenswelten extrem genau kennt, versteht, mitten drin ist – auch wenn die wenigsten das wissen oder ahnen. Wir untereinander können immer nur eine sehr begrenzte Zahl von Menschen mehr oder weniger gut kennen und verstehen lernen. Und selbst bei denen, die sich eine Wohnung teilen, ist das gegenseitige Verständnis oft recht begrenzt.
Gottes Kenntnis geht hingegen tiefer als alle unsere Selbsterkenntnisse. „Du sieht mich“, ist das Motto des diesjährigen Kirchentages hier in Berlin (und anderen Lutherstädten auf dem Weg). Als zentralem Bibeltext geht es dabei um die Geschichte der ägyptischen Sklavin von Sarai und Abraham, Hagar, die mehrfach genau diese Erfahrung macht: „Du bist Gott, der mich sieht“.
Und das gilt eben auch für die Dreikommasechsmillionen individueller Lebensmittelpunkte allein in Berlin und die Guteinemillion in Köln usw.! Bei dem Gedanken platzt mir förmlich das Hirn. Aber ich muss – Gott sei Dank – ja auch nicht Gott sein.
Das mal nur ansatztweise durchzubuchstabieren für die unterschiedlichen Menschen in unserer Stadt, finde ich ausgesprochen faszinierend. Z.B. auch für die rund um den Bahnhof Zoo:
In der Arbeit der Berliner Stadtmission geht es immer wieder darum, Menschen gerade aus den häufig übersehenen Lebenswelten in den Blick zu nehmen.
Und bei Dynamissio, dem Missionarischen Kongress in Berlin vom 23.-25.3., wird es ein Schwerpunkt sein, unterschiedliche Lebenswelten hier in der Stadt kennenzulernen. (Dazu werde ich übrigens eine kurze Einführung im Plenum geben). Man kann sich noch anmelden!
Zum Schluss noch ein Hinweis: Das Büchlein, weshalb ihr im vorigen Jahr so lange auf meinen Blog verzichten musstet, ist jetzt da: