Mit der Überschrift will ich nicht auf das immer noch nasskalte Wetter über Ostern anspielen. (Am Osterdienstag auf der Rückfahrt von den Osterbesuchen in NRW kamen wir im Sauerland noch in eine Schneeregen-Schauer.) Ich möchte euch vielmehr von einem persischen Neujahrsfest erzählen, bei dem ich Montag vor Ostern teilnehmen durfte. Eingeladen hatte mich der iranische Bibelkreis, der vor knapp einem Jahr in unserem ersten Flüchtlingsheim „Haus Leo 1“ von vier Personen gegründet wurde und inzwischen auf ca. 40 angewachsen ist.
In Persien wird Neujahr zum Frühlingsanfang gefeiert. Das Jahr beginnt, wenn auch die Natur wieder neu auflebt. Im Titelbild seht ihr einen nach traditionellem Persischen Brauch aufgebauten Neujahrs-„Altar“. Dazu gehören sieben verschiedenen Symbole für das Leben, die auf Farsi alle mit dem Buchstaben „S“ anfangen. Aber denkt jetzt nicht, ich hätte mir auch nur eine dieser Vokabeln merken können. – Immerhin habe ich an dem Nachmittag gelernt, dass es auf Farsi verschiedene Worte für „Danke“ gibt, unter anderem „sepass“ (mit scharfem Anlaut-s). – Auf den Neujahrsaltar gehören jedenfalls Dinge, die wir auch als Lebenssymbol kennen, wie das frische Gras und das Ei. Natürlich gibts auch spezielles Neujahrsgebäck (leicht und lecker). Aber es darf auch ein Glas mit drei Goldfischen nicht fehlen. Die werden übrigens später in ein freies Gewässer entlassen.
Das besondere an diesem persischen Neujahrsfest war aber jetzt, dass es von persischen Christen gefeiert wurde und zwar in der Kapelle im Zentrum der Stadtmission. Und wenn wie in diesem Jahr nur wenige Tage zwischen Frühlingsanfang und Ostern liegen, dann ist für die iranischen Christen klar, dass sie ihr traditionelles Brauchtum auf die Christusgeschichte deuten. Das neue Jahr und das neue Leben beginnt mit dem Gekreuzigten und Auferstandenen.
Und so haben sie auch ohne große Mühe die traditionellen Farben der Tischdecke umgedeutet und zusätzlich als Fahnen im Tanz durch den Raum getragen: Rot als Symbol für das Blut, das Christus vergossen hat, Gold als Farbe seiner Königsherrschaft nach der Auferstehung. Ich fühle mich erinnert daran, was ich vor Jahren über die frühen keltischen Christen gelesen habe: Wie sie auch sehr offensiv – aber nicht aggressiv – heidnisch-keltische Bräuche einfach umgedeutet haben. Aus dem geisterbeschwörenden, angstbesetzten Halloween wurde das Fest zu Ehren der verstorbenen christlichen Heiligen, die uns im Glauben Rückenwind geben, usw.
Überhaupt hatte ich bei meinen Begegnungen mit diesen persischen Christen in den letzten Wochen mehrfach den Gedanken, dass deren Glaubensweg etwas Urchristliches hat.
Von etablierter Kirche, klaren Strukturen oder gar Ausbildungsstandards jedenfalls keine Spur. Statt dessen begann alles im Iran mit einem Traum, in dem einer muslimischen Frau Jesus begegnet ist und ihr gesagt hat: „Ich will was mit dir anfangen.“ Nach dem Aufwachen hatte sie diesen Traum noch sehr präsent und zugleich kaum eine Ahnung, von wem sie da eigentlich geträumt hatte. Also begannen sie und ihr Mann im Internet zu recherchieren, was es eigentlich mit diesem Jesus auf sich hat. So sind sie Christen geworden, besorgten sich (verbotener Weise) eine Bibel, ließen sich (in einer anderen Stadt) taufen und begannen höchst kreativ ihren Glauben an Christus zu verbreiten. – Bis eines Tages jemand vor ihrer Tür stand und sagte: „Ihr seid Christen geworden und missioniert. Das werdet ihr noch bereuen.“ Daraufhin haben sie alles stehen und liegen lassen und das nächste Flugzeug nach Europa genommen…
Und jetzt bauen sie hier eine neue persische Gemeinde auf, mit Iranern, die schon lange in Deutschland sind, Flüchtlingen der letzten Jahre (wie sie selbst), die inzwischen anerkannt sind und in regulären Wohnungen leben, und Neuankömmlingen, die seit ein paar Monaten in irgendwelchen Turnhallen untergebracht sind. Nicht alle sind Christen. Für manche ist dieses Neujahrsfest einfach ein Stück Heimat, egal ob in christlicher Variante.
In der gottesdienstlichen Feier gibt es zwei Predigten, mehrere Lebensberichte und Glaubenszeugnisse – und viele Lieder. Die werden größtenteils von einem etwa 13jährigen Jungen souverän auf der Geige begleitet.
Die Frische des Glaubens, ohne die Schwierigkeiten auszublenden, und die Aufmerksamkeit, mit der aufeinander gehört und füreinander gebetet wird, ist für uns in Deutschland aufgewachsene Christen eine überraschende Ermutigung
Nach dem Gottesdienst gibt es Tee und Gebäck. Und dann wird zu traditioneller persischer Musik getanzt, dass die Bude wackelt. Eine fröhliche, ja ausgelassene Stimmung. Und die Frauen stehen nicht (wie z.B. bei den Syrern) am Rand, sondern tanzen selbstbewusst mit. Iranische Frauen – jedenfalls in den Städten – sind ziemlich emanzipiert, bekomme ich erklärt. Und nun in der Diaspora und in christlichen Kontext entsteht für sie noch viel mehr Freiraum.
Nach Musik und Tanz gibt es endlich Abendessen. Wir sind bereits 5 Stunden zusammen, und ein fleißiges Team um einen fähigen Koch hat traditionelles persisches Essen zubereitet, mit Safranreis und einer Art Lammgulasch mit grüner Kräutersoße. Sieht zwar etwas merkwürdig aus, ist aber sehr, sehr lecker.
Und so verwandelt sich die Kapelle in einen Festsaal der Dankbarkeit. „Herzlichen Glückwünsch zu Neujahr. Christus ist auferstanden.“
Natürlich muss ich mich am Neujahrsaltar zusammen mit dem schon seit 50 Jahren in Deutschland lebenden „Gemeindeübersetzer“ (beruflich Ingenieur) und dem jungen Gemeindeleiter fotographieren lassen. Immerhin bin ich „Ehrengast“.
Ich gehe davon aus, dass die iranische Bibelgruppe nur der Anfang eines neuen Schwerpunktes der geistlichen Arbeit bei der Berliner Stadtmission ist. Denn es gibt immer mehr Migrationsgemeinden, die nicht ganz auf sich allein gestellt sein wollen, auch nicht nur Raum-Mieter sein wollen, sondern Anschluss suchen zu einheimischen Christen und Gemeinden.
Ich bin jedenfalls ausgesprochen gespannt, was sich in diesem Bereich entwickeln wird. Ihr werdet davon erfahren. Morgen ist in der iranischen Bibelgruppe jedenfalls das nächste reguläre Treffen und ich bin eingeladen, die Bibelarbeit zu halten.
Eine ganz besondere Begegnung von Einheimischen und Flüchtlingen gab es beim Jahresfest der Stadtmission am 6. März, das wir diesmal in unserem Flüchtlingszentrum
in der Mertensstraße in Spandau gefeiert haben. Leider ist dort die Infrastruktur immer noch längst nicht so, wie sie sein sollte. Alle notwendigen Maßnahmen sind unendlich zäh. Aber dieser Tag war ein echtes Begegnungsfest. Mit der Projektband, die ich zusammengestellt hatte, konnten wir richtig Stimmung machen. Nach dem Gottesdienst und dem arabischen Mittagessen setzte die Big Band der Bundespolizei dann musikalisch nochmal richtig einen drauf.
Am Schluss möchte ich euch noch auf etwas anderes hinweisen: Im Winter konnte über unserer Ambulanz für Obdachlose noch eine kleine stationäre Krankenstation mit vier Betten eingerichtet werden. Die Leiterin Svetlana Krasovski hat erzählt, wie groß die Hilfe ist, die obdachlose Menschen hier erfahren: Ein paar Tage medizinisch aufgepäppelt werden, sich nicht im täglichen Überlebenskampf über Wasser halten müssen, wie ein „normaler Kranker“ gepflegt zu werden – das hat unglaublich ermutigende Wirkung. Bei mehreren hat der Aufenthalt in der Krankenstation gleich zu den nächsten Schritten einer Stabilisierung im Leben geführt: Aufnahme in eine Wohneinrichtung, Wiedereinstieg in die Krankenkasse, betreutes Wohnen oder auch ein Ende von Selbstverletzungen.
Finanziert wird das Ganze über Spenden. Gerade läuft eine Spendenverdoppelungs-Aktion für diese Arbeit, unterstützt durch die Deutsche Bahn Stiftung:
Ab dem 21. März wird jede Spende bis 200€ von der DB-Stiftung verdoppelt, bis der bereitgestellte Betrag von 5000,-€ ausgeschöpft ist. Helft mit und spendet über den Link für medizinische Versorgung für obdachlose Menschen: Gutes tun: Ambulanz
Mit einem Foto von der gestrigen Wanderung um den frühlingshaften Schlachtensee wünsche ich euch mancherlei Erfahrungen von erwachendem Leben.